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Abbildung: Aristoteles 

1992 wurde die erste Feststellung publiziert, die sich ausdrücklich auf die Entwicklung einer 'Regenerativen Medizin' bezieht, die "imstande sein wird, den Verlauf von chronischen Erkrankungen zu verändern sowie in vielen Fällen regenerativ in schwache oder versagende Organsysteme einzugreifen":

"A new branch of medicine will develop that attempts to change the course of chronic disease and in many instances will regenerate tired and failing organ systems (1)". 

Der Terminus 'Regenerative Medizin' ist relativ jung. Die erste wissenschaftliche Schrift zu regenerierenden Prozessen ist auf Aristoteles' "Generation of Animals" und seine 'Salamanderschwänze' zurückzuführen (2), worin er die theoretische regenerative Kapazität im lebenden Organismus beschreibt, die sich darüber hinaus auf Tierbeobachtungen stützen. Erst im 18. Jahrhundert liegen weitere wissenschaftliche Aufzeichnungen über das regenerative Phänomen von Trembly, Reaumer und Spallanzani (3) vor. 

Trotz philosophischer und religiöser Debatten keimte die Möglichkeit der Transplantation mit dem ersten allogenen Transplantations-Experiment von Hunter (4) anhand von Tierversuchen auf; gefolgt von der ersten menschlichen Restaurierung einer Nase mittels Gewebstransposition durch Carpue im Jahr 1981 (5), Gesichts- und Urethra-Rekonstruktionen von Diffenbach (6), Hautzell-Transplantation durch Reverdin (7) sowie die ersten Versuche von Hornhaut-Transplantationen durch Riesinger und Bigger (8). Alle genannten Fallbeispiele verstehen sich als Pionierarbeit und Basis für die Entstehung einer Regenerativen Medizin. 

Weiters bestätigen die mikroskopischen Analysen von Virchow einer konsequenten Zellpopulation die Zelltheorien von Schleiden und Schwann (9) und Raspails Schluss der Zelle als Einheit eines Organismus "omnis cellula ex cellula" (10). Hier kommt die Beschreibung vom Remak zum Tragen, nach der eine Zelle nur aus einer anderen Zelle entstehen kann (11) und mittels dieser Theorie die Pforten geöffnet sind für eine weitere Erforschung therapeutischer Anwendungen.

Der Sprung führt uns in das frühe 20. Jahrhundert zu Harrison und Carrell, deren wissenschaftliche Arbeiten den Weg ebneten für die Entwicklung des Tissue Engeneering, wo erstmals die Reproduktion von Gewebe im klinischen Umfeld eingesetzt wurde (12). Von diesem Zeitpunkt an hat sich die Gewebezüchtung aus verschiedenen biologischen Materialien zu Therapiezwecken kontinuierlich weiterentwickelt. Durch die Studien zur Haut von Green und Bell und die biogenetische Matrix von Vacanti (13) wurde der Terminus des Tissue Engeneering 1989 (14) geprägt, was einem weiteren Grundpfeiler der Regenerativen Medizin entsprach, um die Rahmenbedingungen zu schaffen zur weiteren Entwicklung therapeutischer Optionen. 

Die "Cohnheim-Hypothese" (1867), in der das Knochenmark beschrieben wurde als Quelle der reparierenden Zellen, die imstande sind, Wunden zu regenerieren (15), ist vermutlich der erste Zugang des heutzutage so aktiv beforschten Gebiets der Regenerativen Medizin: der Stammzellen-Transplantation. Diese Hypothese der Zellen mit Reparatur-Potential wurde bestärkt durch die Einführung in das pluripotente Konzept von Kleinsmith und Pierce in den frühen 60er Jahren (16) und nach mehr als einer Dekade zahlreicher Studien, waren es 1981 Martin, Evans und Kaufmann (17,18), die es schafften, die embryonalen Stammzellen zu isolieren und verschiedenartiges Gewebe zu generieren. Die Isolierung und Kultivierung der ersten menschlichen embryonalen Stammzelle gelang Thomson im Jahr 1998 (19). Eine neue Ära von medizinischem Wissen hatte begonnen. Zur selben Zeit wurde auf der Grundlage von Friedenstein's Studien der Knochenmark-Zellen (20) die Evolution adulter Stammzellen entwickelt, gemeinsam mit Caplan's Namensgebung der 'mesenchymalen Stammzellen' und der Beschreibung ihres Differenzierungspotentials (21). 

Nach intensiven Beiträgen unterschiedlicher biomedizinischer Bereiche wurde der Terminus 'Regenerative Medizin' weitgehend akzeptiert und popularisiert seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts.

Die Definitionen schwankten von Autor zu Autor, wurden aber Schritt für Schritt vereinheitlicht. Das National Institute of Health (NIH) in den Vereinigten Staaten definiert Regenerative Medizin als den Prozess, lebendes, funktionelles Gewebe zu schaffen, um Gewebsteile oder Organen, die durch Alter, Erkrankung, Verletzung oder angeborenen Defekten beschädigt sind, zu reparieren oder zu ersetzen (22). Steinhoff konstatiert, dass es sich hierbei um ein rasant wachsendes, interdisziplinäres Gebiet der Forschung und klinischen Therapien handelt, bei der beschädigte Zellen, Gewebe oder Organe angeborener oder erworbener Erkrankung repariert, ersetzt oder regeneriert werden (23). Meinschen definiert es als einen Prozess, lebende, funktionelle Zellen zu schaffen, um Gewebe oder Organfunktionen, die durch Alter, Erkrankung oder Verletzungen sowie angeborenen Defekten beschädigt sind, zu reparieren oder zu ersetzen (24). 

Mason (25) legt dar, dass wir Regenerative Medizin und ihre Definition als in einer steten Entwicklung befindlich betrachten müssen. Heute betrachten wir Regenerative Medizin als ein medizinisches Gebiet multidisziplinärer Forschung, die auf klinische Anwendung abzielt, um Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, die imstande ist, Zellen, Gewebe, Organe und Systeme zu reparieren, ersetzen und regenerieren. 

Seit dem Anbeginn der Regenerativen Medizin wurde dieses Gebiet teilweise vom Schatten mißverständlicher Auffassungen belegt, das es zu überwinden gilt, die sich auch auf die allgemeine Bevölkerung sowie finanziellen Interessen und politischen Belange übertragen hat und sich sogar wissenschaftliche Gruppierungen gebildet haben, die eine gegenteilige Haltung eingenommen haben.

Wie Isaac Newton schon zu verstehen gab "befinden wir uns auf den Schultern der Giganten" und sind auf den richtigen Weg gerichtet. Das Gebiet der Regenerativen Medizin gilt als das vielversprechendste medizinische Gebiet, da es darauf abzielt, Erkrankungen zu heilen, indem man Organen und Geweben die normale Funktion wiedergibt, ohne den Organismus lebenslangen Behandlungen zu unterziehen.

Literaturreferenzen

  1. Kaiser LR. The future of multihospital systems. Top Health Care Financ. 1992;18(4):32–45.
  2. Aristotle, Peck AL. Generation of animals, with an English translation by A.L. Peck [Internet]. Cambridge Harvard University Press; 1943 [cited 2014 Dec 17]. 708 p. Available from: http://archive.org/details/generationofanim00arisuoft
  3. Dinsmore CE. A History of Regeneration Research: Milestones in the Evolution of a Science. Cambridge University Press; 2007. 248 p.
  4. Hamilton D. A History of Organ Transplantation: Ancient Legends to Modern Practice. University of Pittsburgh Pre; 2012. 578 p.
  5. Carpue JC. An account of two successful operations for restoring a lost nose. Plast Reconstr Surg. 1969 Aug;44(2):175–82.
  6. Lam SM. Johann Friedrich Dieffenbach: the many-sided Odysseus. Arch Facial Plast Surg. 2003 Jun;5(3):276–7.
  7. Fabre JW. Epidermal allografts. Immunol Lett. 1991 Jul;29(1-2):161–5.
  8. Crawford AZ, Patel DV, McGhee CN. A brief history of corneal transplantation: From ancient to modern. Oman J Ophthalmol. 2013 Sep;6(Suppl 1):S12–7.
  9. Clarke PGH, Clarke S. Nineteenth century research on cell death. Exp Oncol. 2012 Oct;34(3):139–45.
  10. Silver GA. Virchow, the heroic model in medicine: health policy by accolade. Am J Public Health. 1987 Jan;77(1):82–8.
  11. Magner LN. A History of the Life Sciences, Revised and Expanded. CRC Press; 2002. 456 p.
  12. Mather JP, Roberts PE. Introduction to Cell and Tissue Culture: theory and technique. Springer Science & Business Media; 1998. 247 p.
  13. Vacanti CA. The history of tissue engineering. J Cell Mol Med. 2006 Sep;10(3):569–76.
  14. Matsuda T, Akutsu T, Kira K, Matsumoto H. Development of hybrid compliant graft: rapid preparative method for reconstruction of a vascular wall. ASAIO Trans Am Soc Artif Intern Organs. 1989 Sep;35(3):553–5.
  15. Redzić A, Smajilagić A, Aljicević M, Berberović L. In vivo osteoinductive effect and in vitro isolation and cultivation bone marrow mesenchymal stem cells. Coll Antropol. 2010 Dec;34(4):1405–9.
  16. Kleinsmith LJ, Pierce GB. MULTIPOTENTIALITY OF SINGLE EMBRYONAL CARCINOMA CELLS. Cancer Res. 1964 Oct;24:1544–51.
  17. Martin GR. Isolation of a pluripotent cell line from early mouse embryos cultured in medium conditioned by teratocarcinoma stem cells. Proc Natl Acad Sci U S A. 1981 Dec;78(12):7634–8.
  18. Evans MJ, Kaufman MH. Establishment in culture of pluripotential cells from mouse embryos. Nature. 1981 Jul 9;292(5819):154–6.
  19. Thomson JA, Itskovitz-Eldor J, Shapiro SS, Waknitz MA, Swiergiel JJ, Marshall VS, et al. Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. Science. 1998 Nov 6;282(5391):1145–7.
  20. Bourin P, Gadelorge M, Peyrafitte J-A, Fleury-Cappellesso S, Gomez M, Rage C, et al. Mesenchymal Progenitor Cells: Tissue Origin, Isolation and Culture. Transfus Med Hemotherapy Off Organ Dtsch Ges Transfusionsmedizin Immunhamatologie. 2008;35(3):160–7.
  21. Caplan AI. The mesengenic process. Clin Plast Surg. 1994 Jul;21(3):429–35.
  22. Hunziker R. Fact sheet Regenerative Medicine [Internet]. National Institue of Health. 2014. Available from: report.nih.gov/NIHfactsheets/Pdfs/RegenerativeMedicine(NIBIB).pdf
  23. Steinhoff, Gustav. Regenerative Medicine. Form Protocol to Patient. 2011.
  24. Maienschein J. Regenerative medicine’s historical roots in regeneration, transplantation, and translation. Dev Biol. 2011 Oktober;358(2):278–84.
  25. Mason C, Dunnill P. A brief definition of regenerative medicine. Regen Med. 2008 Jan;3(1):1–5.